Staatliche Graphische Sammlung München
Die Staatliche Graphische Sammlung München restituiert nach erfolgreicher, eigener Recherche den sogenannten "Prinzregentenzyklus" von Max Slevogt an die Erben der ursprünglichen Eigentümer
Der Wittelsbacher Ausgleichsfonds wird die Werke von der Eigentümergemeinschaft erwerben
München, 24. Oktober 2025 ERFOLGREICHE PROVENIENZFORSCHUNG! Die Staatliche Graphische Sammlung München erfüllt es - wie der Presse mitgeteilt wurde - mit Freude, dass die Restitution der Aquarelle des sogenannten „Prinzregentenzyklus” sowie des Aquarells „Motiv bei Oberbozen” von Max Slevogt (1868–1932) an die Erben der ursprünglichen Eigentümer zu einem gütlichen Abschluss kommt. Heute, am 24. Oktober 2025 übergeben das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst sowie die Direktion der Staatlichen Graphischen Sammlung München im Studiensaal der Staatlichen Graphischen Sammlung München die Werke an die Vertreter der Erben des Sammlers Leo Lewin, Breslau (heutiges Wrocław), und der Erben seines Bruders, des Rechtsanwalts Salo Lewin, Berlin. Gefördert durch das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste, Magdeburg, und das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst konnte die Staatliche Graphische Sammlung München, namentlich die Provenienzforscherin des Hauses, Frau Dr. Ilse von zur Mühlen, die Provenienz der elf Aquarelle des „Prinzregentenzyklus” sowie des Aquarells „Motiv bei Oberbozen” von Max Slevogt proaktiv erforschen.
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| Englischer Garten, München, Blick in Richtung Hofgarten und Frauenkirche, Foto: Helga Waess - Cover Kunst-Kultur-Blog |
Die Erbinnen und Erben zur Restitution
„Die Familien Leo und Salo Lewin begrüßen die fortdauernden Bemühungen des Freistaats Bayern zur Überprüfung der Provenienzen der Kunstwerke in seinen Sammlungen. Sie haben zur Identifizierung der zwölf Aquarelle von Max Slevogt geführt, die einstmals in den Sammlungen von Leo und Salo Lewin verzeichnet waren. Die Familien begrüßen die Rückgabe der Slevogt-Aquarelle.”
Direktor Michael Hering zur Restitution
„Wir sind dankbar, dass die Erben der beiden Familienzweige zu der Übereinkunft kamen, den Zyklus und das Einzelblatt gemeinsam zurückzuerhalten. So können wir das historische Unrecht mit ihrer Hilfe zu einem tröstlichen und freundschaftlichen Ende bringen”, so der Direktor der Staatlichen Graphischen Sammlung München.
Historische Bedeutung der Serie und Ankauf durch den Wittelsbacher Ausgleichsfonds
Die Einladung des Prinzregenten Luitpold an Max Slevogt 1909 nach Schloss Hohenschwangau zu kommen, ist Ergebnis der vertrauensvollen Verbindung zwischen Herrscher und Künstler und zugleich ein Zeugnis seines Mäzenatentums. Leo Lewins Erwerbung 1917 steht wie mehrere Ausstellungen, die die Aquarelle zeigten, und Zeitungsartikel, die Künstler und den Prinzregenten würdigten, für die große Wertschätzung des Zyklus in Breslau und in Berlin, wo der Künstler seit 1901 lebte.
Daher ist es eine gute Nachricht, dass aufgrund des spezifischen Bezugs des Zyklus zum Haus Wittelsbach sich die Erbengemeinschaft mit dem Wittelsbacher Ausgleichsfonds darauf geeinigt hat, dass dieser die Aquarelle erwirbt.
Damit bleiben die folgenden Aquarelle in Bayern!
Die Geschichte des Zyklus'
wurde von der Provenienzforscherin Dr. Ilse von zur Mühlen detailliert aufgeschlüsselt und der Presse heute von der Staatlichen Graphischen Sammlung München wie folgt mitgeteilt:
Zitat: "Im Sommer 1909 war Max Slevogt vom Prinzregenten Luitpold (1821–1912) in Hohenschwangau für einige Zeit gastlich aufgenommen worden. In dieser Zeit entstanden mindestens 15 Aquarelle und mehrere Ölgemälde mit Motiven aus dem Lebensumfeld des Prinzregenten in Hohenschwangau. Doch der Prinzregent erwarb die Aquarelle nicht, sie verblieben beim Künstler. Auch das 1914 während eines Südtiroler Aufenthalts von Slevogt entstandene Aquarell „Motiv bei Oberbozen” behielt Slevogt wohl in seinem Eigentum.
Beide Werke wurden am 1. August 1938 über die Galerie Ferdinand Möller durch Salo Lewin an die Staatliche Graphische Sammlung München verkauft. Zumindest der „Prinzregentenzyklus” stand jedoch bis zu einem unbekannten Zeitpunkt nach dem 9. Mai 1931 im Eigentum von Leo Lewin aus Breslau.
Leo und Salo Lewin waren Söhne des Breslauer Textilfabrikanten und Kunstsammlers Carl Lewin (1855–1924). Leo Lewin (1881–1965), der die Firma des Vaters weiterführte, war Mitglied mehrerer Breslauer Kunstvereine und begann schon während des Ersten Weltkriegs mit dem Aufbau einer eigenen Kunstsammlung. Am 17. Mai 1917 erwarb er von Max Slevogt die Aquarelle des „Prinzregentenzyklus”, ein Ankauf der anlässlich seiner Heirat mit Helene Koslowsky (1896–1976) der Ausstattung seiner Villa in Breslau dienen sollte und im Rechnungsbuch Slevogts sowie einigen Briefen dokumentiert ist. Der Sammler zeigte Teile des Zyklus in verschiedenen Ausstellungen und stellte sie 1918 dem Berliner Verleger Bruno Cassirer für eine Prachtedition mit Farbtafeln zur Verfügung. Am 9. Mai 1931 versuchte er ohne Erfolg die Aquarelle an die Nationalgalerie in Berlin zu verkaufen. Dies ist das letzte sichere Datum für das Eigentum von Leo Lewin vor dem Verkauf durch Salo Lewin 1938.
Durch die Weltwirtschaftskrise einerseits und frühe Hetze durch die Nationalsozialisten andererseits geriet die bereits 1921 zur Aktiengesellschaft für Webwaren und Bekleidung in Breslau umgebildete Textilfirma in Schieflage und Leo Lewin haftete mit seinem Vermögen. Mehrere Auktionen mit Kunstwerken der Sammlung sind seit 1927 dokumentiert. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 änderte sich für Leo Lewin wie für alle jüdischen Bürger die persönliche und wirtschaftliche Lage. Seit spätestens Januar 1934 prägten zudem Hausdurchsuchungen durch die GESTAPO und Inhaftierungen Leo Lewins Leben. Anfang 1939 gelang ihm die Flucht nach Großbritannien, seine Frau Helene folgte ihm im Mai 1939 ins Exil.
Leos älterer Bruder, der Rechtsanwalt Salo Lewin (1880–1975), hatte gleichfalls den Kunstsinn des Vaters geerbt. In der Aktiengesellschaft für Webwaren und Bekleidung hatte er einen Platz im Aufsichtsrat und war so bis 1934 für die Geschicke der Firma mit verantwortlich. Salo Lewin erhielt bereits im Juli 1933 Berufsverbot, seine Frau Susanna, geb. Gottstein (1899–1972), die Chemie, Physik und Kunstgeschichte studiert und als Technische Assistentin am Pathologischen Institut in Breslau gearbeitet hatte, verlor ihren Arbeitsplatz. Das Ehepaar siedelte zum August 1934 nach Berlin über, wo seit spätestens 4. Juli 1935 Verkäufe der Wohnungseinrichtung und von Kunstwerken nachweisbar sind. Am 28. März 1938 übergab Salo Lewin zwölf Aquarelle von Slevogt an die Galerie Ferdinand Möller in Kommission. Die Galerie wurde mit der Staatlichen Graphischen Sammlung München handelseinig. Der Verkauf überschnitt sich mit der Haft Salo Lewins im Konzentrationslager Sachsenhausen. Er konnte im März 1939 über Kuba in die USA fliehen. Seine Frau Susanna folgte ihm über Großbritannien im Juni 1939."
(Vgl. Zitat aus der Pressemitteilung der Staatlichen Graphischen Sammlung München, vom 24. Oktober 2025)
