Samstag, 21. Februar 2015

Ausstellung im Belvedere in Wien: "200 Jahre Wiener Kongress"

"EUROPA IN WIEN. 200 Jahre Wiener Kongress" 



  • so der Titel der Ausstellung im Wiener Belvedere
  • die am 20. Februar eröffnet wurde und bis 21. Juni 2015 zu sehen ist.

Text von Helga Wäß


Vor 200 Jahren hatte Kaiser Franz I. von Österreich zum Wiener Kongress geladen. Mehrere Monate, vom November 1814 bis Juni 1815 rangen die Vertreter Russlands, Österreichs, Preußens und Großbritaniens um die Neuordnung Europas. Zu diesem ersten Großen Diplomatentreffen nach den Napoleonischen Kriegen weilten die Gesandten aller Europäischen Staaten in Wien.

Es ging um die Neuordnung der Machtverhältnisse in Europa und darum den Frieden dauerhaft zu sichern. Denn die Napoleonischen Kriege hatten die Grenzen und Staatsgefüge mit Ihrer Ordnung teils dramatisch verändert.

Urkunden und Bildzeugnisse - 200 Jahre alte Bildreportagen 

Gezeigt werden Urkunden, besiegelte Abkommen, zeitgenössischer Schmuck, Porzellan, Mobiliar, Marmorbüsten und Gemälde wie

  • Davids "Napoleon am Großen St. Bernhard" von 1801, 
  • Kraffts "Der Einzug von Kaiser Franz I. (II.) von Österreich in Wien nach dem Pariser Frieden am 16. Juni 1814" oder auch 
  • Höchles "Redoute paré während des Wiener Kongresses. 

Letzteres als Grafik. Sie entstand um 1815 und vermittelt einen großartigen Eindruck über die Fülle der anwesenden Diplomaten und die angeregten Diskussionen während des Wiener Kongresses.

All diese Kunstwerke und Dokumente illustrieren das Ereignis mit dem Wien zum kulturellen Zentrum in Europa wurde und zahlreiche Künstler anzog.

Zur Illustration von Reportagen hatte man vor 200 Jahren die Grafik und die Karikatur, aber es entstanden auch Historienbilder und Porträts in allen Formaten. Thematisiert wird in der Ausstellung eine anschauliche Chronologie der Ereignisse:

  • die mit den Befreiungskriegen beginnen, 
  • die zweimalige Besetzung der Donaumetropole in den Jahren 1805 und 1809 zeigen und 
  • bis zur Völkerschlacht bei Leipzig reichen.

 Beilegung von Interessenkonflikten durch friedliche Verhandlungen


In Verhandlungen auf Augenhöhe schufen Russland, Österreich, Preußen und Großbritannien und schließlich auch Frankreich, vertreten durch den Diplomaten Charles-Maurice de Talleyrand, für lange Zeit stabile Grenzen in Europa und stellten per Vertrag ein Gleichgewicht der Mächte her.

Diplomatische Verhandlungen und Gesellschaftliches Großereignis


Nach dem Wiener Kongress gab es eine lange Friedenszeit von immerhin 40 Jahren.

Einer der Chronisten des Kongresses in Wien war Graf Auguste de La Garde, der die Ereignisse der Verhandlungsmonate anschaulich dokumentierte.
Die im Unteren Belvedere und in der Orangerie ausgestellten Exponate wurden von den Kuratoren Sabine Grabner und Werner Telesko arrangiert und anschaulich präsentiert.


Die Ausstellung findet im Unteren Belvedere und in der Orangerie statt.

Hier ein Link zu weiteren Informationen : zur Ausstellung "200 Jahre Wiener Kongress"

ORT:
Unteres Belvedere, Orangerie
Täglich 10 bis 18 Uhr
Mittwoch 10 bis 21 Uhr

Rennweg 6, 1030 Wien


Zur Ausstellung ist ein umfangreicher Katalog erschienen:
"Europa in Wien. Der Wiener Kongress 1814/15" kann für einen von Preis 45 Euro im Belvedere erworben werden.

Hier ein Link zur Ausstellungsbesprechung / Audio: Deutschlandradios Kultur

DHW - hier der Link Homepage der Autorin

Freitag, 20. Februar 2015

Museumsreif - ein Stück Münchner Kulturgeschichte: Die Gewänder der tanzenden Marktfrauen vom Viktualienmarkt

Der Höhepunkt im Münchner Fasching


Den Tanz der Marktfrauen gibt es seit über 100 Jahren. Bis in die 1980er Jahre tanzten sie auf dem Viktualienmarkt an ihren Ständen. Seit 25 Jahren gibt es diese Tradition am Faschingsdienstag auf einer Bühne im Biergarten des Marktes in München. 

Museumsreif - ein Stück Münchner Kulturgeschichte: Die Gewänder der tanzenden Marktfrauen vom Viktualienmarkt

Text und 7 Fotos von Helga Wäß


1 Foto mit freundlicher Genehmigung der Marktfrauen

Der Viktualienmarkt hat sie hervorgebracht. Die Stars des Münchner Faschings: Die Tanzenden Marktfrauen. Sie sind über München hinaus längst ein feststehender Begriff. Bis Japan hat man von ihnen gehört und ganz Deutschland kennt sie aus den TV-Nachrichten um 19:30 und 20:00 in ZDF und ARD.



Tanz der Marktfrauen auf der Bühne, Viktualienmarkt in München,
 Foto: Helga Waess

Faschingsdienstag 10 Uhr, Viktualienmarkt in München


Am letzten Faschingstag um 10 Uhr treten sie auf. Jedes Jahr. Bei jedem Wetter. Dann schweben sie in ihren bunten Kostümen, die jedes Jahr wieder überraschen, über die Bühne auf dem Viktualienmarkt. Sie tanzen und lachen sich in die Herzen der Zuschauer.


Tanz der Marktfrauen, Viktualienmarkt München, Foto; Helga Waess

Und selbst Oberbürgermeister Dieter  Reiter war dabei und machte mit - ebenso wie sein Vorgänger Christian Ude im Jahr 2014. Der Münchner Merkur Online war dabei und zeigt einen Live-Stream zum Tanz der Marktweiber (hier der Link).



Ex-Oberbürgermeister Christian Ude und der Stadtpfarrer von Heilig Geist mit den Marktfrauen beim Tanz,
Foto: Helga Wäß

Die tanzenden Marktfrauen gehören zu den jährlichen Kultur-Events Münchens


Vor dem Tanz gibt es in jedem Jahr viele Proben. Im letzten Jahr durften wir bei der Tanzprobe vor dem großen Auftritt dabei sein und erlebten pure Lebensfreude und unbedingte Disziplin - selbst wenn es zuvor ein langer, harter Markttag war. Sobald Tanzlehrer  Christian Langer, Choreograph und ADTV Tanzlehrer (Tanzschule Neubeck), in die Hände klatschte schien der Tag vergessen und der große Auftritt stand im Vordergrund.

 Marktfrauen vom Viktualienmarkt in München während der Probe,
 2014, Foto: Helga Waess

Hier ein Link zu unserer REPORTAGE über die Tanzenden Marktweiber vom Viktualienmarkt in München in Schwänchen's eMagazin: „Wenn die berühmtesten Marktfrauen der Welt tanzen“ 


Sie sind ein Stück gelebte Münchner Kulturgeschichte und daher museumsreif: Die Gewänder der tanzenden Marktfrauen vom Viktualienmarkt



Wie die Bavaria Bayern verkörpert, so stehen diese Marktfrauen für den Viktualienmarkt und jede für ihren Schwerpunkt. Jede stellt beim Tanz am Faschingsdienstag mit ihrem Kleid das da, was sie verkauft. Hinzu kommen Accessoires, so wie die grün geschmückten Girlanden für den Bogentanz. Hieran finden sich dann Blumen für die Blumenfrauen, Käsestücke für die Käsefrauen und so weiter. 

Die Marktfrauen mit Christian Langer in den Kleidern von 2013,
Foto: Marktfrauen

Jedes Jahr gibt es neue Kleider. Sie sprechen nur die Farben ab, damit es bunt wird. Zweimal sind die meisten von ihnen in den letzten fünf Monaten nach Wien gefahren: zur Anprobe. Viele der kreativen Kleider der Marktfrauen ersinnt Schneider Amand Ricardo Castilla de Perez aus Wien  gemeinsam mit den Frauen. Zwei Marktfrauen haben ihre Gewänder selbst genäht oder haben einen Schneider vor Ort. Am Ende waren aber immer alle Kostüme zur Generalprobe fertig. Wie sagte die Honigfrau bei der Probe:
„Ja, ja! Fasching ist irgendwie wie Weihnachten, plötzlich und unerwartet ist es wieder so weit. Und dann muss das Kleid halt fertig werden. In der letzten Nacht."

Tanz in den Gewändern von 2014, Foto Helga Waess
Alle Tanzkleider werden aufbewahrt. Uns kommt bei den vielen Geschichten um diese Faschingstradition der Gedanke: 
es wäre doch ein schön, wenn man eine Ausstellung in der Kostümabteilung des Münchner Stadtmuseums anregen könnte.

Die "Marktweiber", wie sie sich selber gerne nennen, würden auch hieran mit Herz und Seele aktiv mitarbeiten und Leihgaben sehr gerne zur Verfügung stellen; oder gar in die Sammlung des Museums geben.

Verzaubernde Gewänder mit traditionellen Standl-Motiven wie Blumen, Obst, Käse etc.,
Foto: Helga Waess

Professionelle Choreografie durch Christian Langer 


Seit zehn Jahren schwingt ein Mann das Zepter bei den Weibern. Der 40-jährige Christian Langer choreografiert den „Tanz der Marktweiber“ in ihren bunten und fröhlichen Gewändern. Damit hat sich der Tanzlehrer selbst verwirklicht. Mit seiner Leidenschaft für den Tanz, stecken er und seine Marktweiber jedes Jahr tausende Besucher an. Wir haben ihn im Jahr 2014 interviewt. 
Hier ein Link zum Interview "Die Marktfrauen sind toll"


"Die tanzenden Marktweiber" wurden 2014 umbenannt in die tanzenden MarktFrauen
- diese Idee der Veranstalter wurde von den Marktweibern belächelt - "Mia san Marktweiber, Punkt!"
Da hilft auch kein geändertes Plakat!
Foto: Helga Waess
Weitere Informationen wurden in einem Buch über die Marktfrauen veröffentlicht. Hierzu der Link zur Homepage der Marktweiber.

Freuen wir uns auf das nächste Jahr und auf den Faschingsdienstag, wenn der Ruf der Marktweiber über den Viktualienmarkt schallt:

 „Wie samma?“
„Gut samma!“
Was samma?“
„Marktweiber! Mei san mir guaaaaaat!"

EPORTAGE: Probe zum Tanz auf dem Viktualienmarkt am Faschingsdienstag


Wenn die Geschäftsfrauen vom Viktualienmarkt tanzen

Die tanzenden Marktfrauen vom Viktualienmarkt sind weltbekannt


von Helga Waess

Faschingsdienstag. München hat die Theresienwiese mit der Bavaria, den Rathausplatz mit der Mariensäule und den Viktualienmarkt mit den tanzenden "Marktweibern"
Seit dem 11.11. um 11 Uhr 11 ist Fasching in München.  


Tanzende Marktweiber mit Christian Langer
Bühne auf dem Viktualienmarkt mit Marktfrauenbronze über dem Brunnen
Foto/Copyright: Helga Waess  (Archiv)

Allesamt sind sie Vollprofis als Unternehmerinnen


Sie stehen Tag für Tag bei Wind und Wetter von morgens um sechs bis in die Abendstunden ihre Frau am Markt.
"Die tanzenden MarktFrauen" steht an der Bühne ... eigentlich stand da
"Die tanzenden Marktweiber" (Auf bayerisch sagt man das so!)
Beschriftung an der Bühne auf dem Viktualienmarkt
am Faschingsdienstag in München,
Foto: Helga Waess  (Archiv)


Jede Marktfrau ist ein tanzendes Energiebündel


Eine Tradition oder besser schon eine Institution, ein kulturelles Ereignis, dass diese tanzenden Energiebündel sehr ernst nehmen

Marktfrauen beim Kranz-Tanz,
Foto: Helga Waess (Archiv)

Eine Probe steht für alle - Jahr für Jahr



Die fröhlichen Geschäftsfrauen bei der Probe zum "Tanz der Marktfrauen"
vom Viktualienmarkt,
Foto: Helga Waess  (Archiv)

Auf dem Weg zum Viktualienmarkt in München



Neben der Heiliggeistkirche liegt rechter Hand das zugehörige grüne Pfarrhaus. Hier wird geprobt:

Viktualienmarkt in München
mit Heiliggeistkirche im Hintergrund
Foto: Helga Waess (Archiv)

Die Stimmung vor der Probe zum Tanz der Marktweiber

Alle duzen sich und Küsschen und Umarmungen fliegen nur so durch den Raum.

Es ist, wie ich nun erfahre, die vorletzte Probestunde vor dem großen Auftritt. Hoffentlich kommen alle! Christian hat noch einmal alle Lieder auf DVD gebrannt. 

Ein kurzer Plausch und ein Gruppenfoto, dann geht es los!
Marktfrauen vom Viktualienmarkt in München mit Christian Langer (re)
Foto: Helga Waess (Archiv)
 Jede der anwesenden Frauen fühlt sich Jahr für Jahr und Tanz für Tanz der Tradition verpflichtet.



Stand der Blumenfrau vom Viktualienmarkt in München,
Foto: Helga Waess

Sie sind der Viktualienmarkt!



Pure Lebensfreude am Faschingsdienstag, Marktfrauen vom Viktualienmarkt,
Foto: Helga Waess (Archiv)

Sie sind hart im nehmen


Auftritt der Marktfrauen, Foto: Helga Waess (Archiv)



Die erste Stunde beim Proben-Abend ist zum Warmwerden da. Einige Augen rollen. Hier und da ein müdes Lächeln. Jede ist früh aufgestanden.

Sie sind der „Viktualienmarkt“!


Jede stellt beim berühmten Tanz am Faschingsdienstag mit ihrem Kleid das da, was sie verkauft. 

Die Marktfrauen sind toll! Christian Langer kniet vor den Marktfrauen,
Foto: Helga Waess (Archiv)

Die Kleider der Marktfrauen



Marktfrauen vom Viktualienmarkt,
Foto: Helga Waess (Archiv)

Plötzlich ist Faschingsdienstag


„Ja, ja! Faschingsdienstag ist irgendwie wie Weihnachten, plötzlich und unerwartet ist es wieder so weit. Und dann muss das Kleid halt fertig werden. In der letzten Nacht“, die "Honigfrau" lächelt.

Standl der Honig-Frau auf dem Viktualienmarkt in München,
Foto: Helga Waess

Lasst uns los legen!



IN FILMBEITRÄGEN WAREN ALLE TV-SENDER DABEI:

BAYERISCHER RUNDFUNK: "Fasching in München. Tanz der Marktfrauen auf dem Viktualienmarkt", 17.02.2015, 16:45 Uhr, Bayerisches Fernsehen
Hier der Link zur Mediathek des BR mit dem VIDEO zu TANZ der MARKTFRAUEN

BAYERISCHER RUNDFUNK: "Tanz der Marktweiber Mit flatternden Röcken in den Faschingsendspurt", 17.02.2015, 14:00 Uhr, BR.de, 1 Min.
Hier der Link zur Mediathek des BR mit dem VIDEO

MÜNCHNE,TV: Und in München TV Mit Oberbürgermeister Dieter Reiter in der Tram Nr. 8 und
den Marktweiber "mit wehenden Röcken und verrückten Hüten"
Hier der Link zum Beitrag in München.tv 

BAYERISCHER RUNDFUNK: "Abendschau des BR Faschingsdienstag. Feiern in Bayern"
17.02.2015, 18:00 Uhr, Bayerisches Fernsehen, 2 Min.
- unter anderem mit dem Tanz der Marktfrauen 





Dienstag, 3. Februar 2015

SENSATION? „Michelangelo bronzes discovered“ - Diskussion um die Zuschreibung der 500 Jahre alten Bronze-Skulpturen "Panther-Reiter" an Michelangelo eröffnet!

Zuschreibung der 500 Jahre alten Bronze-Skulpturen "Panther-Reiter" an Michelangelo Buonarotti! Das erregt Aufsehen.


Cambridge. Kaum dass am Montag, den 2. Februar 2015 die Nachricht in der Redaktion ankam, klingelte auch schon das Telefon heiß. Was ist da entdeckt worden? 



Und richtig: ein paar Telefonate und Klicks und schon waren wir fündig. 


Michelangelo bronzes discovered“ 


titelte auch die Webseite des Fitzwilliam Museums in Cambridge und im halbstündigen Turnus die Gazetten weltweit. Foto in The Guardian

KLARTEXT: Diese beiden einen Meter hohen Bronzen wurden nicht neu entdeckt, sie waren lange bekannt, aber die Zeichnung mit dem Panther-Reiter, welche als Beweis für die Zuschreibung an Michelangelo zu sehen ist, wurde im Herbst in Frankreich gefunden. Viele Experten aus unterschiedlichen Forschungsbereichen wurden bislang hinzugezogen und bestätigten die Zuschreibung.
Nun wird die  Diskussion um die Zuschreibung der 500 Jahre alten Bronze-Skulpturen "Panther-Reiter" an Michelangelo Buonarotti nach 120 Jahren wieder aufgerollt.




Die beiden Panther-Bronzen werden von heute an bis zum 9. August 2015 in der Sektion zur Italienischen Kunst der Renaissance im Fitzwilliam Museum ausgestellt. 


Zur ProvenienzDie beiden Panther-Reiter befinden sich zurzeit in Privatbesitz, wie das Museum auf Anfrage mitteilte. Sie waren einst in der Sammlung des Bankiers Adolphe de Rothschild und tauchten im Jahr 2002 bei dem renommierten Auktionshaus Sotheby's in London wieder auf. Hier wechselten sie bei einer Auktion als "Florentiner Werke"  für 1,8 Millionen Dollar den Besitzer. Eine Summe, die für zwei Bronzeskulpturen Michelangelos lächerlich wäre.

Foto-Galerie der Skulpturen in THE GUARDIAN

Hat Michelangelo in Bronze gearbeitet?


In den letzten Jahren konnte dem Werk des Heroen der italienischen Hochrenaissance Michelangelo Buonarroti (1475-1564) hier und da mal eine Zeichnung zugeschrieben werden. Was jeweils schon sensationell war. Aber jetzt gleich zwei Skulpturen des Meisters und zudem noch Bronzen?

Vermutet hatten Michelangelo-Forscher es schon seit langem, dass der Maler, Architekt, Dichter und Bildhauer Michelangelo Buonarroti auch in Bronze arbeitete. Zwei Bronze-Skulpturen galten Schriftzeugnissen zufolge als verschollen:


  • eine bronzene Papststatue 
  • und ein David. 
Könnten diese Panther-Reiter nun auch von Michelangelo sein?

Bislang fehlten die Beweise. Das scheint seit gestern anders zu sein.

Der renommierte Michelangelo-Experte Paul Joannides, Emeritus Professor der Kunstgeschichte an der Universität Cambridge, legt eine in Frankreich gefundene Zeichnung als Beweis dafür vor, dass Michelangelo einen Panther-Reiter im Zeichnungsbestand seines Florentiner Studios hatte. Denn nur so könnte sein Schüler die nun gefundene Skizze angefertigt haben. Und hiermit sei die Zuschreibung an den Meister möglich.
Um die Zuschreibung an Michelangelo vorzunehmen wurden bislang mehrere Experten hinzugezogen und Spezialuntersuchungen durchgeführt:


  • erwähnt werden zwei Experten des Amsterdamer Rijksmuseums;
  • ein ausgewiesener Spezialist für klinische Anatomie von der Warwick University Medical School;
  • in der Universität von Oxford datierten Spezialisten die Bronzen auf die Zeit zwischen 1506 und 1508;
  • und dann wurden noch hochwertige dreidimensionale Scans gemacht. Sie werden im Doku-Beitrag der BBC gezeigt  (hier der Link zu dem Filmbeitrag der  BBC news UK) Mit ihrer Hilfe haben Schweizer Wissenschaftler Vergleiche mit bekannten Werken und Zeichnungen durchgeführt, die ebenfalls für eine Zuschreibung an Michelangelo sprächen.
  • Und schließlich kamen Kenner des Werks von Michelangelo zu Wort, die die anatomisch korrekten Streckungen und Dehnungen des Muskelspiels sowie die ganze Linienführung in Bewegung und Haltung oder auch die Dramatik im Ausdruck nur einem Genie der Hochrenaissance zutrauen: Michelangelo.

Viele Experten wurden hinzugezogen - andere nicht.

Und deshalb sollen Michelangelo-Spezialisten aus aller Welt die Zuschreibung der 500 Jahre alten Bronze-Skulpturen an Michelangelo bei ihrer Fachtagung am 6. Juli 2015 in Cambridge diskutieren.
Wenn es danach eine offizielle Experten-Bestätigung für die Authentizität gäbe, dann wäre das in der Tat eine Sensation. Das wäre dann eine Nachricht, die die Kunstwelt aufwirbelt und das Wissen um die Kunst der Renaissance neu schreiben ließe.

Bronze war seit dem Mittelalter und auch in der Zeit Michelangelos ein bevorzugtes Material der Künstler. Daher wäre es wirklich logisch, dass auch der große Michelangelo dieses Material erprobte - und gar meisterlich zu inszenieren wusste.

Das Fitzwilliam Museum in Cambridge hat die beiden Bronzen nun ausgestellt. So ungewöhnlich wie die "Entdeckung" an sich, ist auch das dargestellte Motiv:

Zwei männliche Akte, die auf Panthern reiten“


Muskulös und stählern reißen die beiden Männer auf ihren Panthern reitend je einen Arm in die Höhe. Das Material Bronze lässt die Modulation der durch und durch von Muskeln geformten Körper strahlen. Sie wirken noch kraftvoller. Spannung und Dynamik gehen in diesen beiden Werken von den menschlichen Gestalten aus, während die Panther, wie zahme Hauskatzen wirken. Der wilde, ungestüme Gestus der Männer passt so gar nicht zur Ruhe der wie mit Samet-Füßen dastehenden Katzen, deren Mimik und Muskelspiel eine gewisse Wildheit andeuten.
Der Mensch wird in diesen Arbeiten zum Sinnbild für die Natur. Sein triumphaler Ritt auf dem Wildtier zum Nachweis als Krone der Schöpfung. Er hat das Raubtier, die Natur unterworfen.

Es handelt sich bei diesen Skulpturen um zwei wirklich fesselnde, spannungsgeladene Kunstwerke der Hochrenaissance, die allein vom Ausdruck her ohne jeden Zweifel dem ungestümen Wesen Michelangelos zuzuordnen wären. Jenes Künstlers, der das Menschenbild in der Kunst neu diskutierte.

Die Diskussion um die Zuschreibung der Bronzen an Michelangelo ist eröffnet


Schon einmal hatte die Forschung diese beiden Bronze-Skulpturen Michelangelo Buonarotti zugeschrieben. Das war im 19. Jahrhundert. 
Aber, wie das mit der Beweislast in der Kunstforschung immer so ist, es fehlte ein winziges Detail, um die Zuschreibung zu erhärten. Und so schrieb man sie vor gut 120 Jahren dem Meister wieder ab.
Akte, Körper-Auffassung und sogar die Haltung der Figuren konnten im zeichnerischen Werk des Künstlers nachgewiesen zwar werden. Aber Panther? Hatte der italienische Künstler diese Tiere hier wirklich zum Reittier für seine Heldengestalten ausgewählt?

Dass Michelangelo nachweislich auch in Bronze gearbeitet hat, lässt sich aus zahlreichen schriftlichen Dokumenten ersehen. Bislang fehlten schlicht und einfach ein Vergleichsstück in Bronze, ein Bozetto als Modellentwurf oder eine Studie, die als Protokoll der Künstlerschaft gesehen werden könnte.

Einordnung der Bronzen in Michelangelos Werk


Entstehungszeit zwischen 1506 und 1508. 


Eine Panther-Zeichnung von Michelangelo spricht für die Zuschreibung an den Meister


Der Kunsthistoriker Paul Joannides hat im Herbst 2014 den Bestand der Zeichnungen des Musée Fabre in Montpellier (Frankreich) durchgesehen und darin eine 500 Jahre alte Zeichnung entdeckt, die die Diskussion um die Zuschreibung der Bronzen wieder aufleben lässt.

Auf dem vergilbten und fleckigem Blatt finden sich mehrere Studien. Es sind Federzeichnungen, die mit spontanem Riss auf das Blatt gebannt wurden.
Die fünf Studien sind mehr oder weniger detailliert und mehr oder weniger gekonnt ausgeführt. Neben zwei stehenden und einem liegenden Akt finden sich Menschen, die ringen, fliehen oder mit zwei Wölfen beziehungsweise Hunden kämpfen. Daneben eine etwas ungelenk gezeichnete Madonna mit muskulösem Kind in liebkosender Umarmung. Diese Federzeichnung ist zwar ungelenk, aber am vollständigsten ausgeführt – mit Licht und Schatten-Schraffuren. Und schließlich ist (schnell auf das Blatt skizziert) oben rechts (bei quer liegendem Blatt) ein männlicher Akt auf einem Panther zu sehen. 

Reicht eine Schülerzeichnung als Beweis aus? 


Der nackte Mensch sitzt in dieser Zeichnung auf dem Rücken des seitlich stehenden Tieres. Fast direkt über dessen vorderen Schulterblättern. Der Panther hat die rückwärtigen Pfoten schräg nach hinten gestellt, während die Vorderläufe kürzer wirken und ein wenig unbeholfen, ja, bärentatzenartig nebeneinander stehen. Er hat den Kopf gesenkt und blickt aus der Zeichenfläche mit scheinbar finsterer Miene den Betrachter an. Hier scheint es, als wären Raubkatze und Mensch eine Einheit. Der Mensch dreht sich aus der Bildfläche mit dem Oberkörper heraus, so dass wir das Muskelspiel und die Schulterblätter sehen. Er vertraut dem Raubtier, das ihm den Rücken freihält.

Es handelt sich bei diesem Blatt wohl um die Zeichnung eines zeitgenössischen Michelangelo-Schülers, wie die Universität Cambridge mitteilt. Eines Zeichners, der die Arbeiten des Meisters studierte. Das Blatt wird in das Jahr 1508 datiert. Dennoch findet sich darin der Beweis, dass dieser Zeichner im Studio von Michelangelo Bozetti, Panther-Skulpturen-Entwürfe oder eben Zeichnungen aus der Hand Michelangelos gesehen haben muss?
Diese Zeichnung in Frankreich hat die Zuschreibung zweier Panther-Reiter aus Bronze an Michelangelo Buonarotti bestätigt, so wird verlautbart. Zahlreiche Michelangelo-Spezialisten dürften hierzu noch einiges zu sagen haben.

Kunsthistorische Fachkonferenz zur Wiederentdeckung der beiden Michelangelo-Bronzen im Juli 2015 in Cambridge


Zwei männliche Akte auf je einer gezähmten Raubkatze. Jede Skulptur misst circa einen Meter in der Höhe. Ihr Schöpfer soll einer der berühmtesten Meister der italienischen Hochrenaissance sein: Michelangelo Buonarroti (1475-1564). Die beiden Bronzen werden in die Zeit zwischen 1506 und 1508 datiert. Die Beweis-Zeichnung eines Schülers wird um 1508 datiert.

In einer internationalen Konferenz sollen am Montag, den 6. July 2015 in Cambridge alle Fakten vorgestellt und von der Fachwelt diskutiert werden. Das Fitzwilliam Museum, wo die Bronzen nun ausgestellt werden, gehört als Ausstellungshaus zur Universität Cambridge. 

Victoria Avery, Leiterin des Applied Arts Department des Fitzwilliam Museums freut sich auf die Fach-Tagung zur Michelangelo-Bronze: 
"It has been fantastically exciting to have been able to participate in this ground-breaking project, which has involved input from many art-historians in the UK, Europe and the States, and to draw on evidence from conservation scientists and anatomists. The bronzes are exceptionally powerful and compelling works of art that deserve close-up study - we hope the public will come and examine them for themselves, and engage with this ongoing debate."

Ausstellung der Michelangelo-Bronzen in Cambridge


Die beiden Panther-Skulpturen werden vom 3. Februar bis zum 9. August 2015 in der Sektion zur Italienischen Kunst der Renaissance im Fitzwilliam Museum öffentlich ausgestellt. Der Eintritt ist frei.

The Fitzwilliam Museum

Trumpington Street,
Cambridge CB2 1RB
Tel: 01223 332900
Fax: 01223 332923
http://www.fitzmuseum.cam.ac.uk/index.html

Zu den Personen:


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