Sammelleidenschaft und Liebe zur Kunst
Ein Interview mit dem Kunsthändler Georg Urban
In diesem Jahr feierte der Kunsthändler Georg Urban sein 66-jähriges Berufsjubiläum. Seit nunmehr fast 67 Jahren ist der Spezialist für Skulpturen von der Gotik bis zur Barockzeit (13.-18. Jahrhundert) immer noch für Sammler, Museen und Kollegen eine gute Adresse. Seine Skulpturen wurden über zahlreiche Kunstmessen, an welchen das Unternehmen im Laufe der Jahrzehnte immer wieder teilnahm, einem größeren Sammlerkreis bekannt. Die Herkunft „Georg Urban, München“ findet sich als Provenienz in vielen bedeutenden Sammlungen weltweit.
Zuverlässig wie ein Schweizer Uhrwerk steht Georg Urban mit 86 Jahren selbst noch jeden Tag von morgens um 10 bis abends um 18 Uhr in seinem Ladengeschäft, das wie ein barockes Schatzkästchen anmutet. Er besucht Sammler oder Klöster persönlich, berät auch am Wochenende und nahm bis Oktober 2008 auch noch an internationalen Messen sowie der Kunstmesse „Munich Highlights“ teil.
Wir trafen Ihn in seinem Ladengeschäft an der Rückseite des Hotels Bayerischer Hof in München.
Herr Urban, wie kamen Sie zur Kunst?
In meiner Heimat bin ich schon als Kind mit meiner Großmutter zum Gartlberg hinauf gestiegen. Das ist eine Wallfahrtskirche oberhalb von Pfarrkirchen. Dort bin ich aufgewachsen. In dieer Kirche habe diese wunderschönen Altäre bestaunt. Und von da an hat mich die sakrale Skulptur fasziniert.
Warum begeistern Sie sich für Kunst?
Weil all diese Skulpturen, Engel, Madonnen und Heilige von den Künstlern ja nicht nur als reines Schnitzwerk gearbeitet wurden, sondern jeder Bildhauer brauchte auch Religiösität. Er brauchte den Geist, um das Bild des göttlichen mit dem menschlichen zu verbinden.
Ich bin ein Händler, der die Kunstwerke nicht nur als Ware anschaut, sondern auch die Seele erfühlt. Mit jener Seele, die der Bildhauer in seiner Zeit in seine Werke legte.
Wann und wo haben Sie Ihren Kunsthandel gegründet?
Es war im Frühjahr vor 66 Jahren, kurz nach der Währungsreform, in meiner Heimatstadt Pfarrkirchen. Ich war damals 20 Jahre alt.
Warum haben Sie den Schwerpunkt auf Antiquitäten gelegt?
Ich habe meinen Schwerpunkt auf Skulpturen gelegt, weil jedes Kunstwerk etwas einmaliges in sich trägt. Wenn ich eine Skulptur berühre oder ansehe, spüre ich schon den Geist des Künstlers. Das war immer schon so.
Es ist fast ein Geschenk des Himmels, dass ich in meiner ganzen Händlerschaft nicht einmal ein Stückerl gekauft hab, das nicht aus der Zeit war.
Was fasziniert Sie an der christlichen Kunst beziehungsweise an den Objekten, mit denen Sie handeln?
Es ist immer wieder die Begabung der Künstler.
Können Sie uns Beispiele nennen?
Ein wunderbarer Kauf waren drei Ignaz Günther Engel, zwei Mädchen und ein Junge, bei denen man sofort anhand des Ausdrucks und der ganzen Körperlichkeit fühlte, dass der Künstler hier vielleicht seine eigenen Kinder porträtierte.
Einen Altar möchte ich auch noch erwähnen, den ich vor gut 30 Jahren in einem Auktionshaus im Keller gefunden habe. Ich wusste sofort, wo er herstammte: aus St. Pauls bei Eppan (Südtirol) aus dem Kronshof. Ich habe ihn direkt gekauft und dann dem Pfarrer von St. Pauls angeboten.
Zur Besichtigung kamen hierfür 32 Obstbauern aus Südtirol angereist. Ich empfing Sie in meiner Wohnung zum Weißwurst-Essen. Sie waren ganz traurig, dass sie das Geld erst nicht aufbrachten. Gott sei dank war eine Kunsthistorikerin auch noch da. Sie kam vom Stadtmuseum in Bozen, das dann kaufte und wo der Altar heute ausgestellt wird.
Eine schöne Geschichte. Ihre Augen leuchten!
Ja! Kunst hält jung. (Georg Urban lächelt)
So könnte ich ihnen tausende von Geschichten erzählen. Ich freue mich immer, dass jeder Kauf und Verkauf solch eine spannende Geschichte mit sich bringt und auch große Freude: für mich und den Kunden. Denn: Ich darf in jedes Haus rein, wo ich etwas gekauft habe und wo ich etwas verkauft habe. Ich habe zahlreiche Kunstwerke vor dem Verfall gerettet, die heute wieder in Kirchen und Museen zu bestaunen sind.
Was verbindet Sie mit Ihren Kunden?
Ich bin für meine Kunden nicht nur Händler, sondern im Laufe der Jahre haben sich auch viele Freundschaften entwickelt; denn uns verbindet eine ganz große Gemeinsamkeit: die Sammelleidenschaft und die Liebe zur Kunst.
Welche hier ausgestellte Skulptur liegt Ihnen zurzeit besonders am Herzen?
Der Heilige Donatus ist eine wunderbare Skulptur. Es handelt sich hierbei um eine 2,30 m große Barockskulptur, die komplett aus Holz geschnitzt wurde und farbig gefasst ist. Solche Skulpturen standen als sogenannte "Schreinwächter" oben, sprich seitlich, auf den Hochaltären der Barockzeit.
(Während Georg Urban erzählt leuchten seine Augen und wir erleben eine fast jugendliche Leidenschaft.)
Der Künstler Witwer war in Prag als Schüler vom großen Egidius Braun und später in Wien, dann selbst als Meister tätig. Aus seiner Meisterhand stammen viele Schreinwächter in dieser Größe - die sich in Kirchen oder Museen finden. Im Katalog „Barock im Oberland“ hat Professor Koeberl den Künstler Witwer vorgestellt und weitere Großskulpturen abgebildet.
Der Heilige Donatus ist ein Wetterheiliger, der den Blitz fängt und in silberner Rüstung als Ritter mit Schwert auftritt?
Unser Donatus trägt eine Weißblaue Scherpe um die Lenden und einen weißblauen Federbusch auf dem Kopf. Letzteres spricht dafür, dass er in Bayern, daher die Landesfarben, zu lokalisieren ist. Hier wurden zahlreiche Kirchen und Klöster in Napoleonischer Zeit aufgehoben, geplündert oder zerstört, so dass es schwer ist diese Figur einer bestimmten Kirche beziehungsweise einem Altar zuzuordnen.
In der Zeit der Säkularisation wurden Kircheninventare samt Gemälden, Skulpturen und anderen Kunstwerken zerstört. Einige Stücke wurden von Privatleuten oder Geistlichen versteckt und dadurch gerettet.
In einem Museum dürfte solch ein außergewöhnliches Werk der Schnitzkunst besondere Aufmerksamkeit erregen?
Ja, das wäre mir ein Anliegen, solch seltene Skulpturen sollte man der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Herr Urban, vielen Dank für das Interview!