Das Lenbachhaus in München restituiert nach intensiver Provenienzforschung ein Kunstwerk
Nach proaktiven Recherchen restituiert das Lenbachhaus ein Gemälde aus der ehemaligen Sammlung von Jacques Goudstikker (1879–1941)
Restitution eines Gemäldes: Bildnis des Freisinger Hofmeisters Achaz Busch aus dem Jahr 1532, gemalt von Hans Schöpfer dem Älteren (um 1505–1566)
München. Provenienzforschung. Das Münchner Kulturreferat hat gemeinsam mit dem Lenbachhaus am 20. Juni 2024 ein Gemälde des Malers Hans Schöpfer dem Älteren aus dem Sammlungsbestand des Museums an Marei von Saher, alleinige Erbin des niederländischen Kunsthändlers Jacques Goudstikker (1897–1940), restituiert. Proaktive Recherchen des Lenbachhauses ergaben, dass das Werk im Jahr 1940 NS-verfolgungsbedingt entzogen wurde. Die Landeshauptstadt München bezieht diesbezüglich eine klare Position: Das Unrecht, das durch das nationalsozialistische Regime begangen wurde, darf sich nicht wiederholen. Die öffentliche Hand setzt sich daher nachdrücklich für die Restitution von Kulturgut an die ehemaligen Eigentümer*innen bzw. ihre rechtmäßigen Erb*innen ein. Grundlage für die Rückgabe des Gemäldes sind die Grundsätze der Washingtoner Erklärung von 1998, in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden. Der Kulturausschuss des Stadtrats der Landeshauptstadt München hat am 7. März 2024 die Restitution beschlossen.
Münchner Rathaus, Foto: Helga Waess (Pressefotoarchiv) |
Bei dem Gemälde handelt es sich um ein frühneuzeitliches Bildnis des Freisinger Hofmeisters Achaz Busch aus dem Jahr 1532, gemalt von Hans Schöpfer dem Älteren (um 1505–1566)
Es ist belegt, dass das Werk im 16. Jahrhundert zur „Münchner herzoglichen Kunstkammer“ gehörte. Anfang der 1920er Jahre wurde es aus dem Berliner Kunsthandel an den jüdischen Kunsthändler Jacques Goudstikker in Amsterdam verkauft, der zu einem der wichtigsten Akteure auf dem niederländischen Kunstmarkt vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte. Nach dem Angriff der deutschen Wehrmacht und der Kapitulation der Niederlande am 15. Mai 1940 beschloss Jacques Goudstikker, sich, seine Frau und ihren einjährigen Sohn in Sicherheit zu bringen. Die Familie verließ mit einer der letzten möglichen Überfahrten Amsterdam in Richtung England. Jacques Goudstikker verunglückte tödlich an Bord des Schiffes als er nachts durch eine geöffnete Luke an Deck stürzte.
Mit sich führte er das so genannte „Black Notebook“,
ein kleines schwarzes Ringbuch aus Leder mit einem maschinengeschriebenen Register, in dem Goudstikker kurz vor der Flucht die Kunstwerke seiner Sammlung beziehungsweise seiner Kunsthandlung aufgelistet hatte. Die Liste in dem Büchlein dokumentiert 1.200 Objekte und diente nach 1945 als wichtigste Quelle und Nachweis von Goudstikkers Eigentum. Seine Kunsthandlung in Amsterdam wurde gegen den Willen der Witwe Désirée Goudstikker von dem deutschen Reichsmarschall Hermann Göring und dem Bankier und Spekulanten Alois Miedl übernommen. Im Zuge der „Arisierung“ wurden die Kunstwerke auf verschiedenen Wegen geraubt und weiterverkauft. Das im „Black Notebook“ unter der Nummer 1.228 aufgeführte „Mansportret“ von Hans Schöpfer wurde von Alois Miedl an den Zwischenhändler Wilhelm Henrich verkauft, der das Gemälde im März 1941 in das Auktionshaus Heinrich Hahn in Frankfurt am Main einlieferte. Dort erwarb ein Frankfurter Kunsthistoriker das Bild im Auftrag von Konrad Schießl, Direktor der Städtischen Museen München. Im gleichen Monat wurde das Gemälde im Inventar der Sammlung der Städtischen Galerie im Lenbachhaus aufgenommen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Désirée Goudstikker einen Rechtsstreit gegen die Niederlande, der mit einem Vergleich beschieden wurde
Die meisten Werke blieben unrechtmäßig im Besitz von internationalen Institutionen und Museen. Nachdem die Erb*innen der Familie Ende der 1990er Jahre erneut Anspruch auf ihr Eigentum erhoben, wurden nach langjährigen Verhandlungen und einer entsprechenden Empfehlung der niederländischen Restitutiecommissie über 200 Werke restituiert. Weitere Rückgaben einzelner Werke folgten. Die Rekonstruktion und Aufarbeitung der Sammlung und des Kunsthandelsbestands von Jacques Goudstikker wurde in mehreren Forschungsprojekten fortgesetzt, zuletzt von 2019 bis 2022.
Anton Biebl, der Kulturreferent der Landeshauptstadt München betont:
„Eine wirkungsstarke Erinnerungskultur setzt auf eine Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Provenienzforschung und das Restituieren von Kulturgütern tragen zur Aufarbeitung der Geschichte bei und geben den Menschen ein Stück ihrer Vergangenheit wieder. Deshalb ist es absolut richtig, dass die Landeshauptstadt München entschieden hat, das Gemälde „Achaz Busch“ an die Nachkommin der Familie Goudstikker zurückzugeben.“ Marei von Saher hierzu: „Es ist ermutigend zu sehen, dass das Lenbachhaus das Richtige gegenüber den Opfern der Nazis und ihren Familien tut. Ich bin dem Lenbachhaus sehr dankbar, dass es das Gemälde von Schöpfer an die Familie von Jacques Goudstikker zurückgibt.“
Quelle: Pressemeldung der Städtischen Galerie im Lenbachhaus vom 17. Juli 2024
Städtische Galerie im Lenbachhaus
Luisenstraße 33
80333 München
Eintrittspreise
- Regulär 10 €
- Ermäßigt 5 €
- Freier Eintritt unter 18 Jahren
Öffnungszeiten
- Di–So 10–18 Uhr
- Do 10–20 Uhr