Kurzfilm-Serie des Auktionshauses Sotheby's
Gedanken zu Kunstmarkt- und Sammlungs-Videos in Forschung und Lehre sowie als Quelle des Kulturgutschutzes
Wissenschaftler, die sich der Faktenlage verpflichtet fühlen, sind heute wichtiger denn je
Für Kunstinteressierte, Sammler und Museen ist es eine feine Sache, dass das Auktionshaus Sotheby's in den letzten Monaten vermehrt auch zum Filmproduzenten wird. Man kann live bei Auktionen dabei sein oder hinterher die Filme zur Auktion ansehen. Prominente Einlieferer werden im Portrait vorgestellt und die zu auktionierenden Kunstwerke dadurch - wie die
Sammlung David Bowie in diesem Jahr zeigte - mit emotionalen Werten belegt. Es sind unschätzbare Kulturgüter, die auf diese Weise dokumentiert und für die Nachwelt in ihrer momentanen Zusammenfügung und ihrem Jetzt-Zustand dokumentiert werden.
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Sotheby's Deutschland findet sich in München
am Odeonsplatz 16 (rechts)
Foto: Helga Waess (2016) |
Kurzfilmserie über die "Treasures from Chatsworth"
Mittlerweile entstehen bei Sotheby's ganze Kurzfilm-Serien, wie die 13-teilige Abfolge über die
"Treasures from Chatsworth". Und es sind die Eigentümer und Sammler, die, so scheint es, höchstpersönlich das Licht der Öffentlichkeit suchen. Aber: es war bestimmt von Seiten des Auktionshauses viel Vorarbeit nötig, um so tiefe Einblicke in das private Sammlungswesen filmen zu dürfen.
Sammlertradition von Feinsten
In Chatsworth ist es kein geringerer als der 12th Duke of Devonshire mit Family Cavendish, die ihr Anwesen und die darin befindliche, einzigartige Kunst-Sammlung in 13 Themenfolgen erläutern und präsentieren. Für eine solche Sammlung sind 16 Generationen verantwortlich gewesen.
Teils fühlt sich der Betrachter aufgrund der Bilderfolge und Deckenfresken, wie in einem Venezianischen oder Römischen Palazzo. Alles wird von sanften musikalischen Klängen untermalt. Gezeigt werden Schwenks durch die Räumlichkeiten und dann
en detail die Highlights der Sammlung, die immerhin
Leonardo da Vincis "
Leda mit dem Schwan"-Zeichnung und - wer hat schon ein Familien-Portrait eines großen zeitgenössischen Künstlers -
Lucian Freuds "Porträt der Mutter des Duke of Devonshire" zeigen.
Die Sotheby's Kurzfilme sind lehrreiche Zeit-Dokumente
Die Website von Sotheby's mit ihren Kurzfilmen macht nachdenklich. Sollte diese Art der Dokumentation eventuell nicht nur in die Marketing-Ausbildung, sondern auch in die kunst- und kulturhistorischen Lehre eingebunden werden?
Der Diavortrag oder Beamer-Vortrag wird sowieso zunehmend abgelöst werden. Nur Professoren der alten Schule halten hieran noch fest. Daten und Bildarchivierung und 3D Animationen von Bau- und Kunstdenkmälern ist längst im 21. Jahrhundert angekommen und es ist eine Freude das Bildarchiv Foto Marburg digital zu besuchen.
Die Forschungsarbeit könnte durch original Drehbücher und Beweisführung anhand von Kurzfilm-Material wesentlich vorangetrieben werden
Wie rar sind die Interieur-Fotografien vergangener Zeiten, durch welche wir Kunstwissenschaftler mühsam Provenienzen aufzuklären suchen. Und auch hier gilt es, wie beim Kurzfilm, Vorsicht walten zu lassen, denn die Absicht des Fotografen und die Originalität ist stets vorab zu klären. Ein schönes Beispiel sind gefälschte Fotografien: Wie beim Kunstfälscher-Skandal Beltracchi, dessen Frau in Kleidung der Jahrhundertwende, im Ambiente der Zeit und auch noch vor dem gefälschten Gemälde sitzend aufgenommen wurde. Alle ließen sich täuschen!
Die Absicht des Fotografen und die Authentizität sind stets zu hinterfragen:
Ein Foto zeigt - gerade in Zeiten von Smartphone, Photoshop und Co. nicht immer die Wahrheit!
Kunst-Kurzfilme sind Image- beziehungsweise Marketinginstrumente / aber auch wissenschaftliche Quellen
Kunst-Kurzfilme werden zunehmend in die Dokumentation von Kunst- und Kulturgut aufgenommen werden; denn schließlich lassen sich anhand von
ehrlichen Interieur-Aufnahmen auch die Sammlungs-Geschichte, Trends und überhaupt der Stil-Wandel im Laufe der Zeiten erforschen. Wissenschaftler, die sich der Faktenlage verpflichtet fühlen, sind heute wichtiger denn je. Die Archivierung dieser Filme wird zukünftige Generationen über einen Teil des Sammlerlebens in unserer Zeit unterrichten.
Für die Zeitgeschichte, die Volkskunde, die Soziologie und Gesellschaftsforschung sind die von Sotheby's vorgelegten Dokumentationen schon jetzt eine wichtige Quelle, deren Inszenierung und Zielrichtung jedoch immer zu berücksichtigen ist.
Das Auktionshaus hat mit diesen Serien auch ein eigenes Marketinginstrument geschaffen, dass über die Informationsvermittlung Interessentenkreise erreicht, die der pure Auktionskatalog weltweit in dieser Form niemals ansprechen würde.
Für die Wissenschaft gilt: Hier wird durch Bilder ein "Ist-Zustand" vermittelt, der von der Idylle des heutigen Sammlerlebens erzählt und die Wahrnehmung der Betrachter lenkt. Ein Beispiel das real existiert, obwohl die musikalische Untermalung und der Filmschnitt, die Übergänge der Szenen und die Wahl der Hintergründe für die Interviewpartner schon auf ein Drehbuch verweisen, das von Marketing- und Kunst-Fachleuten erstellt wurde, um neben der Fülle an Kulturgütern auch die Highlights hervorzuheben, die eventuell auch über Sotheby's einst erworben wurden.