Künstler "verkloppen" ihre Werke – Sammler bringen Kunst aus Deutschland raus – Museen fürchten um ihre Dauerleihgaben
Kunstmäzene ziehen sich zurück
Seit Tagen geht es nicht mehr nur darum
wie nationales Kulturgut in Deutschland gehalten werden kann, sondern auch um die Auswirkungen des Gesetzes, das noch nicht einmal die erste Anhörung durchlaufen hat. Die geplanten Änderungen zum Nationalen
Kulturgutschutz würden die gewachsene Kunstlandschaft Deutschlands verändern. Bereits jetzt wird Kunst aus Museen abgezogen oder gar aus dem Land gebracht. Und das, obwohl erst ein Entwurf bekannt ist. Aber einer der für Aufsehen und Aufruhr sorgt. Hintergründe unter diesem Link zu einem Interview mit Monika Grütters (CDU), Staatsministerin für Kultur und Medien.
Text: Helga Waess
Kulturgut-Alarm in Deutschland
Der Gesetzesentwurf hat noch nicht
einmal die erste Anhörung durchlaufen und schon ist die Kunstwelt in
Alarmhaltung. Man streitet und reagiert, schreibt offene Briefe und
zieht Dauerleihgaben aus Museen schon mal zurück. Viele Sammler, so weiß der Kunstvermittler Christoph Graf Douglas, bringen ihre kostbaren Kunstschätze aus
Deutschland bereits raus.
(Siehe hierzu den Link zur Stellungnahme Douglas' in der Welt unter dem Titel “Kunsthändler sind keine skrupellosen Geldmacher“ )
(Siehe hierzu den Link zur Stellungnahme Douglas' in der Welt unter dem Titel “Kunsthändler sind keine skrupellosen Geldmacher“ )
Worum geht es? Siehe hierzu unseren Blogbetrag vom 13. Juli "Wird das Kulturgutschutzgesetz für Sammler, Museen und Kunsthandel zur Katastrophe?"
Konrad Bernheimer, der zum Ende des Jahres seine Stammgalerie in München schließt und fortan nur noch von London aus handelt, nennt die geplanten Änderungen zum Kulturgutschutz eine „kalte Enteignung“. (Siehe hierzu das Interview mit dem Kunsthändler Konrad Bernheimer in der WELT)
Konrad Bernheimer, der zum Ende des Jahres seine Stammgalerie in München schließt und fortan nur noch von London aus handelt, nennt die geplanten Änderungen zum Kulturgutschutz eine „kalte Enteignung“. (Siehe hierzu das Interview mit dem Kunsthändler Konrad Bernheimer in der WELT)
Werden Künstler künftig die Museen boykotieren
Zunächst wurde bekannt, dass Georg
Baselitz seine Leihgaben aus Museen abzieht. Jetzt reagieren auch
jene, die zunächst ruhig abwarten wollten. Gerhard Richter betonte in
einem Interview mit dem Spiegel, er würde
"„... die Bilder aus den Museen holen, schnellstens auf den Markt bringen und verkloppen.“ (Vgl. Hier der Link zum Spiegel-Artikel, der sich auf Richters Aussage in der Morgenpost beruft )
Richters Werke sind jeweils weit über 150.000 Euro wert. So wurde im
Februar diesen Jahres ein Gemälde mit dem Titel „Abstracktes
Bild“, ein Lieblingsbild des Künstlers, für 41 Millionen Euro bei
Sotheby's versteigert. Der erwartete Preis ging von gedachten 27
Millionen Euro schnell nach oben. Das Werk hing übrigens sehr lange
in Köln im Museum Ludwig als Leihgabe.
Selbstverständlich sind die
Auktionspreise für Richter nicht immer so steigerungsfähig. Dies
zeigte die Versteigerung des Werkes „Netz“ aus der
Sammlung Karlheinz Essl. Es ging erst im Nachverkauf für 7 Millionen
weg. Ein Schnäppchen!
Gerhard Richter betont, er werde keiner Kommission seine Bilder zeigen und um die Erlaubnis bitten diese verkaufen zu dürfen. So funktioniert der „Kunsthandel“ eben nicht.
Kunstmäzene ziehen sich zurück - WARUM?
In § 17 des Gesetzesentwurfs zum
Schutz des Nationalen Kulturguts wird festgehalten, dass
die „Unverletztlichkeit der Wohnung“
- in Deutschland immerhin Gesetz – eingeschränkt wird, wenn dort ein für Deutschland wichtiges kulturelles Gut vorhanden sei. Ach ja, und Dauerleihgaben, die länger als 5 Jahre in Museen sind,
werden automatisch zum Nationalen Gut. Außerdem soll jedes Werk, das älter als 50 Jahre ist und teurer als 150.000 Euro künftig deklariert werden. Hierbei ginge es zum Beispiel auch um die Erbschaftssteuer, die dem Staat entgeht, wenn Kunst vererbt wird.
Sammler, die nicht nur als Kunstmäzene
für eine lebendige Museen und Kulturlandschaft von immensem Wert sind, sichern durch ihre Werk-Ankäufe das Leben und freie Schaffen der Künstler. Sie ermöglichen,
dass Museen durch Leihgaben auch für öffentliche Sammlungen ansonsten unerschwingliche Kunstwerke
ausstellen können. Oder sie schenken Kunstwerke an Museen: wie die
Sammler Arend und Brigitte Oetker, die mal eine Schenkung an das
Busch-Reisinger-Museum in Harvard und mal an das MoMA in New York
geben. So kommen häufig bedeutende Werke deutscher Künstler in
internationale Museen weltweit. So wird Kunst global und international.
Klärungsbedarf besteht!
Was soll nun mit den Werken bedeutender Künstler werden? Zu klären ist, ob jedes Werk, dass einmal fünf Jahre in einem Museum hing
wirklich so wichtig für Deutschland ist und deshalb nie mehr
ausgeführt werden kann. Die Kriterien für ein endgültiges Gesetz
zum Schutz des Kulturguts müssen feinteilig aufgeschlüsselt und Begriffe müssen definiert werden.
Wie werden Kunstmessen zukünftig aussehen? Und gehen Galerien mit Zeitgenossen noch auf internationale Kunstmessen nach Basel, Moskau, Miami oder Hong Kong?
Und was ist, wenn das Gesetz zum Schutz
der kulturellen Güter durchgewunken wird und rückwirkend wirksam.
Müssen die Werke dann wieder zurück in die Museen? Was ist, wenn
die anderen Europäischen Länder nachziehen und ihrerseits keine
Kunstwerke mehr aus dem Land lassen. Oder was wird, wenn die EU den
Gesetzesentwurf noch einmal überarbeitet?
Was Sammler, Mäzene, Galeristen und
Künstler dazu sagen kann man unter diesem Link im jüngsten Artikel. Die Regulierungswut führt zu Protestpotenzial“ in der WELT nachlesen.