Zuschreibung der 500 Jahre alten Bronze-Skulpturen "Panther-Reiter" an Michelangelo Buonarotti! Das erregt Aufsehen.
Cambridge. Kaum dass am Montag, den 2. Februar
2015 die Nachricht in der Redaktion ankam, klingelte auch schon das
Telefon heiß. Was ist da entdeckt worden?
Und richtig: ein paar
Telefonate und Klicks und schon waren wir fündig.
„Michelangelo
bronzes discovered“
titelte auch die Webseite des Fitzwilliam Museums in Cambridge und im halbstündigen Turnus die Gazetten weltweit. Foto in The Guardian
KLARTEXT: Diese beiden einen Meter hohen Bronzen wurden nicht neu entdeckt, sie waren lange bekannt, aber die Zeichnung mit dem Panther-Reiter, welche als Beweis für die Zuschreibung an Michelangelo zu sehen ist, wurde im Herbst in Frankreich gefunden. Viele Experten aus unterschiedlichen Forschungsbereichen wurden bislang hinzugezogen und bestätigten die Zuschreibung.
Nun wird die
Diskussion um die Zuschreibung der 500 Jahre alten Bronze-Skulpturen "Panther-Reiter" an Michelangelo Buonarotti nach 120 Jahren wieder aufgerollt.
Die beiden Panther-Bronzen werden von heute an bis zum 9. August 2015 in der Sektion zur Italienischen Kunst der Renaissance im Fitzwilliam Museum ausgestellt.
Zur ProvenienzDie beiden Panther-Reiter befinden sich zurzeit in Privatbesitz, wie das Museum auf Anfrage mitteilte. Sie waren einst in der Sammlung des Bankiers Adolphe de Rothschild und tauchten im Jahr 2002 bei dem renommierten Auktionshaus Sotheby's in London wieder auf. Hier wechselten sie bei einer Auktion als "Florentiner Werke" für 1,8 Millionen Dollar den Besitzer. Eine Summe, die für zwei Bronzeskulpturen Michelangelos lächerlich wäre.
Hat Michelangelo in Bronze gearbeitet?
In den letzten Jahren konnte dem Werk des Heroen der italienischen Hochrenaissance Michelangelo Buonarroti (1475-1564) hier und da mal eine Zeichnung zugeschrieben werden. Was jeweils schon sensationell war. Aber jetzt gleich zwei Skulpturen des Meisters und zudem noch Bronzen?
Vermutet hatten Michelangelo-Forscher
es schon seit langem, dass der Maler, Architekt, Dichter und
Bildhauer Michelangelo Buonarroti auch in Bronze arbeitete. Zwei Bronze-Skulpturen galten Schriftzeugnissen zufolge als verschollen:
- eine bronzene Papststatue
- und ein David.
Könnten diese Panther-Reiter nun auch von Michelangelo sein?
Bislang fehlten die Beweise. Das scheint seit gestern anders zu sein.
Der renommierte Michelangelo-Experte Paul Joannides, Emeritus Professor der Kunstgeschichte an der Universität Cambridge, legt eine in Frankreich gefundene Zeichnung als Beweis dafür vor, dass Michelangelo einen Panther-Reiter im Zeichnungsbestand seines Florentiner Studios hatte. Denn nur so könnte sein Schüler die nun gefundene Skizze angefertigt haben. Und hiermit sei die Zuschreibung an den Meister möglich.
Um die Zuschreibung an Michelangelo vorzunehmen wurden bislang mehrere Experten hinzugezogen und Spezialuntersuchungen durchgeführt:
- erwähnt werden zwei Experten des Amsterdamer Rijksmuseums;
- ein ausgewiesener Spezialist für klinische Anatomie von der Warwick University Medical School;
- in der Universität von Oxford datierten Spezialisten die Bronzen auf die Zeit zwischen 1506 und 1508;
- und dann wurden noch hochwertige dreidimensionale Scans gemacht. Sie werden im Doku-Beitrag der BBC gezeigt (hier der Link zu dem Filmbeitrag der BBC news UK) Mit ihrer Hilfe haben Schweizer Wissenschaftler Vergleiche mit bekannten Werken und Zeichnungen durchgeführt, die ebenfalls für eine Zuschreibung an Michelangelo sprächen.
- Und schließlich kamen Kenner des Werks von Michelangelo zu Wort, die die anatomisch korrekten Streckungen und Dehnungen des Muskelspiels sowie die ganze Linienführung in Bewegung und Haltung oder auch die Dramatik im Ausdruck nur einem Genie der Hochrenaissance zutrauen: Michelangelo.
Viele Experten wurden hinzugezogen - andere nicht.
Und deshalb sollen Michelangelo-Spezialisten aus aller Welt die Zuschreibung der 500 Jahre alten
Bronze-Skulpturen an Michelangelo bei ihrer Fachtagung am 6. Juli
2015 in Cambridge diskutieren.
Wenn es danach eine offizielle Experten-Bestätigung für die Authentizität gäbe, dann wäre das in der Tat eine Sensation. Das
wäre dann eine Nachricht, die die Kunstwelt aufwirbelt und das Wissen um
die Kunst der Renaissance neu schreiben ließe.
Bronze war seit dem
Mittelalter und auch in der Zeit Michelangelos ein bevorzugtes
Material der Künstler. Daher wäre es wirklich logisch, dass auch
der große Michelangelo dieses Material erprobte - und gar meisterlich zu inszenieren wusste.
Das
Fitzwilliam Museum in Cambridge hat die beiden Bronzen nun ausgestellt. So ungewöhnlich wie die "Entdeckung" an sich, ist auch das dargestellte Motiv:
„Zwei männliche Akte, die auf
Panthern reiten“
Muskulös und stählern reißen die
beiden Männer auf ihren Panthern reitend je einen Arm in die Höhe.
Das Material Bronze lässt die Modulation der durch und durch von
Muskeln geformten Körper strahlen. Sie wirken noch kraftvoller.
Spannung und Dynamik gehen in diesen beiden Werken von den
menschlichen Gestalten aus, während die Panther, wie zahme
Hauskatzen wirken. Der wilde, ungestüme Gestus der Männer passt so
gar nicht zur Ruhe der wie mit Samet-Füßen dastehenden Katzen,
deren Mimik und Muskelspiel eine gewisse Wildheit andeuten.
Der Mensch wird in diesen Arbeiten zum
Sinnbild für die Natur. Sein triumphaler Ritt auf dem Wildtier zum
Nachweis als Krone der Schöpfung. Er hat das Raubtier, die Natur
unterworfen.
Es handelt sich bei diesen Skulpturen
um zwei wirklich fesselnde, spannungsgeladene Kunstwerke der
Hochrenaissance, die allein vom Ausdruck her ohne jeden Zweifel dem
ungestümen Wesen Michelangelos zuzuordnen wären. Jenes Künstlers,
der das Menschenbild in der Kunst neu diskutierte.
Die Diskussion um die Zuschreibung
der Bronzen an Michelangelo ist eröffnet
Schon einmal hatte die Forschung diese
beiden Bronze-Skulpturen Michelangelo Buonarotti zugeschrieben. Das
war im 19. Jahrhundert.
Aber, wie das mit der Beweislast in der
Kunstforschung immer so ist, es fehlte ein winziges Detail, um die
Zuschreibung zu erhärten. Und so schrieb man sie vor gut 120 Jahren
dem Meister wieder ab.
Akte, Körper-Auffassung und sogar die
Haltung der Figuren konnten im zeichnerischen Werk des Künstlers
nachgewiesen zwar werden. Aber Panther? Hatte der italienische
Künstler diese Tiere hier wirklich zum Reittier für seine
Heldengestalten ausgewählt?
Dass Michelangelo nachweislich auch in
Bronze gearbeitet hat, lässt sich aus zahlreichen schriftlichen
Dokumenten ersehen. Bislang fehlten schlicht und einfach ein
Vergleichsstück in Bronze, ein Bozetto als Modellentwurf oder eine
Studie, die als Protokoll der Künstlerschaft gesehen werden
könnte.
Einordnung der Bronzen in Michelangelos Werk
Entstehungszeit zwischen 1506 und
1508.
Eine Panther-Zeichnung von
Michelangelo spricht für die Zuschreibung an den Meister
Der Kunsthistoriker Paul Joannides hat
im Herbst 2014 den Bestand der Zeichnungen des Musée Fabre in
Montpellier (Frankreich) durchgesehen und darin eine 500 Jahre alte
Zeichnung entdeckt, die die Diskussion um die Zuschreibung der
Bronzen wieder aufleben lässt.
Auf dem vergilbten und fleckigem Blatt
finden sich mehrere Studien. Es sind Federzeichnungen, die mit
spontanem Riss auf das Blatt gebannt wurden.
Die fünf Studien sind mehr oder
weniger detailliert und mehr oder weniger gekonnt ausgeführt. Neben zwei stehenden und einem
liegenden Akt finden sich Menschen, die ringen, fliehen oder mit zwei
Wölfen beziehungsweise Hunden kämpfen. Daneben eine etwas ungelenk gezeichnete Madonna mit
muskulösem Kind in liebkosender Umarmung. Diese Federzeichnung ist zwar ungelenk, aber am vollständigsten ausgeführt – mit Licht und
Schatten-Schraffuren. Und schließlich ist (schnell auf das Blatt skizziert) oben rechts (bei quer
liegendem Blatt) ein männlicher Akt auf einem Panther zu sehen.
Reicht eine Schülerzeichnung als Beweis aus?
Der nackte Mensch sitzt in dieser
Zeichnung auf dem Rücken des seitlich stehenden Tieres. Fast direkt
über dessen vorderen Schulterblättern. Der Panther hat die
rückwärtigen Pfoten schräg nach hinten gestellt, während die
Vorderläufe kürzer wirken und ein wenig unbeholfen, ja,
bärentatzenartig nebeneinander stehen. Er hat den Kopf gesenkt und
blickt aus der Zeichenfläche mit scheinbar finsterer Miene den
Betrachter an. Hier scheint es, als wären Raubkatze und Mensch eine
Einheit. Der Mensch dreht sich aus der Bildfläche mit dem Oberkörper
heraus, so dass wir das Muskelspiel und die Schulterblätter sehen.
Er vertraut dem Raubtier, das ihm den Rücken freihält.
Es handelt sich bei diesem Blatt wohl
um die Zeichnung eines zeitgenössischen Michelangelo-Schülers, wie
die Universität Cambridge mitteilt. Eines Zeichners, der die
Arbeiten des Meisters studierte. Das Blatt wird in das Jahr 1508
datiert. Dennoch findet sich darin der Beweis, dass dieser Zeichner
im Studio von Michelangelo Bozetti, Panther-Skulpturen-Entwürfe oder
eben Zeichnungen aus der Hand Michelangelos gesehen haben muss?
Diese Zeichnung in Frankreich hat die Zuschreibung zweier Panther-Reiter aus Bronze an Michelangelo Buonarotti bestätigt, so wird verlautbart. Zahlreiche Michelangelo-Spezialisten dürften hierzu noch einiges zu sagen haben.
Kunsthistorische Fachkonferenz zur
Wiederentdeckung der beiden Michelangelo-Bronzen im Juli 2015 in
Cambridge
Zwei
männliche Akte auf je einer gezähmten Raubkatze. Jede Skulptur
misst circa einen Meter in der Höhe. Ihr Schöpfer soll einer der
berühmtesten Meister der italienischen Hochrenaissance sein:
Michelangelo Buonarroti (1475-1564). Die beiden Bronzen werden
in die Zeit zwischen 1506 und 1508 datiert. Die Beweis-Zeichnung eines Schülers wird um 1508 datiert.
In einer internationalen Konferenz
sollen am Montag, den 6. July 2015 in Cambridge alle Fakten
vorgestellt und von der Fachwelt diskutiert werden. Das Fitzwilliam Museum, wo die Bronzen nun ausgestellt werden, gehört als
Ausstellungshaus zur Universität Cambridge.
Victoria Avery, Leiterin des Applied
Arts Department des Fitzwilliam Museums freut sich auf die
Fach-Tagung zur Michelangelo-Bronze:
"It has been fantastically
exciting to have been able to participate in this ground-breaking
project, which has involved input from many art-historians in the UK,
Europe and the States, and to draw on evidence from conservation
scientists and anatomists. The bronzes are exceptionally powerful and
compelling works of art that deserve close-up study - we hope the
public will come and examine them for themselves, and engage with
this ongoing debate."
Ausstellung der Michelangelo-Bronzen in Cambridge
Die beiden Panther-Skulpturen werden
vom 3. Februar bis zum 9. August 2015 in der Sektion zur
Italienischen Kunst der Renaissance im Fitzwilliam Museum öffentlich
ausgestellt. Der Eintritt ist frei.
Trumpington Street,
Cambridge CB2 1RB
Tel: 01223 332900
Fax: 01223 332923
http://www.fitzmuseum.cam.ac.uk/index.html
Zu den Personen:
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