Antike trifft Modern in kultureller Harmonie
Die 59. Kunstmesse München wird auch 2014 ihrer ehrwürdigen Tradition gerecht
Auf der 59. Kunstmesse München begegnet der Besucher in diesem Herbst kostbaren Kunstwerken aus aller Welt. Ausgewogene Abwechslung und kuratorischer Ideenreichtum gepaart mit Humor und Phantasie lassen Sammler und Kunstinteressierte staunen und schmunzeln.
von Dr. Helga Wäß
Eingang zum Postpalast verhüllt in Königsblau, Foto: Helga Wäß |
Beim Flanieren von Stand zu Stand gibt
es Kostbarkeiten, Raritäten, Kuriositäten, Kunstkammer-objekte,
feine Limousinen aus den Anfangsjahren des Automobilbaus, Gemälde
und Skulpturen von der Antike bis in unsere Zeit, feine Porzellane
und strahlendes Silberhandwerk. Gerne würden wir alles beschreiben.
Mögen die hier betrachteten Messestände stellvertretend für das
große Ganze stehen und den geschätzten Leser zum Besuch der
Kunstmesse anregen.
Antike trifft Moderne auf der 59. Kunstmesse München 2014, Foto: Helga Wäß |
SONDERAUSSTELLUNG
Hommage an Otto Piene, den Mitbegründer der Gruppe Zero
Ein Magnet der Messe dürfte in diesem
Jahr die Piene-Ausstellung der Galerie Maulberger sein. An
einem mittig gelegenen großen Messestand wird diese Werkschau
gezeigt, die Otto Piene (18. April 1928 in Laasphe; † 17. Juli 2014
in Berlin) als einen der wichtigsten Künstler der Gruppe Zero
gerecht wird.
Galerist Hans Maulberger präsentiert stolz seine Piene-Sammlung auf der Kunstmesse München, Foto: Helga Wäß |
Galerist Hans Maulberger war es ein „... dringendes
Anliegen, dem im Juli verstorbenen Künstler diese Hommage
auszurichten“. Alle Gemälde Pienes hat Hans Maulberger in den
letzten Jahrzehnten gesammelt. Und es sind großartige Arbeiten, die
hier zu sehen sind. „Ich fühle mich als Sammler, der von seiner
Sammlung lebt. Eine Sammlung, die aus sich selbst lebt und sich immer
weiter entwickelt“, so der Galerist mit strahlenden Augen.
Am großzügigen Messestand der Galerie Maulberger hat jede Arbeit Otto Pienes genügend Raum, Foto: Helga Wäß |
Arbeiten des ZERO-Künstlers Otto Piene auf der 59. Kunstmesse München am Stand der Galerie Maulberger, Foto: Helga Wäß |
Schon
viele Jahrzehnte begeistern ihn die Arbeiten der Künstlergruppe Zero
und mithin jene von Otto Piene. Das eine oder andere Gemälde dürfte
hier einen Sammler finden, weshalb diese Sonderaus-stellung in diesem
Arrangement einmalig bleiben dürfte.
Ein paar Stände weiter erwartet den
Besucher Antikes.
Ältester Zoo der Welt bei Galerie Blue Art
Am Messestand der Galerie Blue Art,
kann der Kunstinteressierte unter dem Motto „Ältester Zoo der
Welt“ Tiere in Ton bewundern, die vor tausenden von Jahren
geschaffen wurden. Und er stellt fest: Ein Kamel, ist ein Kamel, ist ein
Kamel; auch, wenn es mehrere tausend Jahre alt ist.
Am Messestand der Galerie Blue Art f inden sich neben antiken Budda-Statuen auch dieses große Kamel, Foto: Helga Wäß |
Eine Zeit in der alle Kultur ihren Anfang nahm
Was bei dieser Plastik fasziniert sind
die Beobachtungsgabe, das bildhauerische Können, die detailgenaue
Erzähl-Sprache der antiken Künstler und der Erhaltungszustand. Der
Sinn der einzelnen Skulpturen wird von den Galeristen wortreich
umschrieben und unser geistiges Auge wandert in jene ferne Zeit, in
der alles so anders war: in der alle Kultur ihren Anfang nahm. Wie
nah uns auf einmal die Zeit der Antike ist. Sie waren einst, was wir
jetzt sind. Wir verstehen die Sammler nun noch besser.
Aber, man erlaubt sich bei Blue Art hier und da auch einen Scherz: Ein Antiker Torso wurde mit einfachen Banalitäten in die heutige Zeit gerückt. Rote Riemen ziehen sich über die Schultern eines steinernen Kunstwerks. Und an deren Enden?
Von Weitem überlegt der Besucher auf dem Weg zum Messestand der Galerie Blue Art: Was trägt diese antike Torso? Foto: Helga Wäß |
Ein Rucksack. Ein Lächeln erhellt das Gesicht des Betrachters, ob dieser kleinen Frechheit. Leben mit antiker Kunst. In der eigenen Sammlung den Haus-Kindern vielleicht nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen. - Es sei denn: ein zukünftiger Beuys hat hier die Hand im Spiel.
Zeitgenöissischer Antikenschmuck bei der Galerie Blue Art, Foto: Helga Wäß |
Ein Kunstmesseambiente wie ein lebendiges Stillleben
Bei De Eenhoorn aus Zaltbommel
lädt eine Fülle an Kuriositäten, Waffen und Kunstwerken des
Mittelalters und der frühen Neuzeit zum Verweilen ein.
Am Messestand von De Eenhorn aus Zaltbommel, Foto: Helga Wäß |
Wir treffen hier Professor Grimm und
fragen ihn nach seinem Eindruck von der diesjährigen Kunstmesse.
„Die Vielfalt und die Nähe zu Volkskunst und Kunstgewerbe sowie
die unter-schiedlichsten Materialien sind wie ein lebendiges
Stillleben. Die Qualität ist an jedem Messestand ausgezeichnet.“
Prof. Dr. Grimm, Juror der 59. Kunstmesse München, am Messestand von De Eenhorn aus Zaltbommel, im Hintergrund ein Papierrelief des Kalvarienberges, Foto: Helga Wäß |
Professor Grimm ist einer
der Juroren der Kunstmesse München. Wir betreten den Messestand von
De Eenhorn und der Juror ist begeistert: „Sehen sie alles spannende
Stücke. Alles gut erforscht und dokumentiert.“
Das Gespräch mit dem Sammler soll um Inhalte gehen
Aad Penders von De Eeenhorn zeichnet an
seinem Stand alle Objekte mit Preisen aus. Es sei viel schöner, wenn
der Sammler nicht erst nach dem Preis fragen müsse, sondern sich
gleich mit ihm über die Bedeutung der Werke, ihre Zeit und das
Wesentliche unterhalte, verrät uns der Händler.
Gotischer Kamin am Messestand von De Eenhorn, Foto: Helga Wäß |
Aad Penders hat neben Gemälden,
Skulpturen und Kunstkammerstücken auch einen originalen und komplett
ausgestatteten mittelalterlichen Kamin mit gebracht. Eine gotische,
reliefierte Steinarbeit übermannshoch und mit originalen, motivisch
verzierten Eisenplatten. Dieses Stück dürfte jedem Schloss alle
Ehre bereiten und könnte, wenn sich ein Sammler fände, für 35.000
Euro in Bayern bleiben.
Gemälde aus Wien mit München-Bezug
Seit drei Jahren stellt die Galerie
Kohlhammer & Mahringer aus Wien im Postpalast in München
aus. Die Gemäldehängung ist hier wohl durchdacht und lädt zum
Betreten des Standes ein.
Leo Delitz "Liegende" von 1914, bei Kohlhammer & Mahringer, Foto: Helga Wäß |
Eine dahin fließende „Liegende“, gemalt
1914 von Leo Delitz (1882-1966 London) zeigt in warmes Tuch gewickelt
die nackte Schulter und kokettiert mit Augenaufschlag. Der Blick des
Betrachters trifft als nächstes die Augen einer weiteren Schönen,
die in den Messestand hineinblickend, neugierig auf Verborgenes
macht.
Kohlhammer & Mahringer bringen die Leichtigkeit einer ansprechenden, lichten Malerei auf die Messe
Gemälde am Messestand der Galerie Kohlhammer & Mahringer aus Wien im Postpalast in München, Foto: Helga Wäß |
In den hier ausgestellten Gemälden
lassen sich zahlreiche Verbindungen nach München finden, ob nun der
Maler Franz von Defregger (1835-1921) aus München kam und die
Galerie sein „Dirndl mit Hut“ zurück in die Landeshauptstadt
bringt, der Münchner Robert Völcker (1854 Dohna -1924 München) mit
„Der Sommer“ die Leichtigkeit eines Sommers nacherleben lässt
oder ob Beppo Steinmetz (1872-1933 München) ein „Café in München“
malte.
Zwei frühe Gemälde von Max Liebermann
Die Galerie von Dr. Andreas Bühler hat dieses Jahr
gleich zwei Gemälde von Max Liebermann aus den Jahren 1890 und 1891
mit nach München gebracht. Interessant ist auch hier die Hängung
der Leinwände.
Dr. Andreas Bühler vor Liebermann (li.) und Dill (re.), Foto: Helga Wäß |
Beide rahmen ein größeres Gemälde von Otto Dill aus dem Jahr 1955. Spannend wie das Grün der Bäume auf dem Dill-Gemälde und die durch die Sonne erhellten Flecken am Boden den Betrachter ganz entfernt an spätere Wannsee-Arbeiten Liebermanns erinnern. Hier will man mit unserer Wahrnehmung spielen.
Messestand der Galerie Bühler aus Stuttgart, Foto: Helga Wäß |
Aufgelockert wird der Messestand durch
raumgreifende Großplastiken. So findet sich die Bronze eines Rehs
(1930) von Fritz von Graevenitz fast mittig gestellt. Und wieder
erhellt die Sonne eine Leinwand. Maria Casper-Filsers „Aprilsonne“
aus dem Jahr 1934 fügt sich harmonisch in das Ambiente bei Dr.
Bühler ein.
Augsburger Silber bei Dr. Eva Toepfer
Augsburger Silber darf auf keiner
Kunstmesse fehlen. Dr. Eva Toepfer bringt eine ganz wunderbar
gearbeitete Terrine mit, die in die Zeit zwischen 1724 und 1728
datiert werden kann. Das Meisterzeichen an der Unterseite des Fußes
verweist auf den Silberkunstschmied Phillip Jakob VI. Drentwett.
Rechts Terrine - Augsburger Silber - bei Dr. Eva Toepfer, Foto: Helga Wäß |
Silber und Porzellan waren das
höfische Kunsthandwerk des 18. Jahrhunderts. Sie durften in keinem Schloss und in
keinem adeligen Haushalt fehlen.
Frühes Porzellan bei Oberacker aus Frankfurt
Auf der 59. Kunstmesse München im Postpalast fällt ein Fränkischer
Vasensatz (Frankental, um 1772) auf. Er besteht aus einem dreiteiligen Ensemble und war, was die Herrschafts-Allegorien vermuten lassen, dereinst sicherlich für einen richtigen
Palast gefertigt wurden.
Fränkischer Vasensatz (Frankental, um 1772), Foto: Helga Wäß |
Eventuell für die pfälzischen Kurfürsten. Porzellanspezialist Oberacker hat sie an seinem Stand mit feinen Porzellanen ausgestellt. Er hat auch zwei Meisner Schalen aus der Zeit um 1750 dabei, die so manches Sammlerherz erwärmen dürften.
Laura Padgetts Fotoarbeiten bei Oberacker aus Frankfurt
Wie feinteilig in Porzellan gearbeitet wurde, interessierte die Zeitgenössische Fotografin Laura Padgett, deren großformatige Foto-Arbeiten an diesem Stand einen guten Einblick in die Porzellanarbeit geben.
Laura Padgetts Porzellan-Fotografien am Messestand von Oberacker aus Frankfurt, Foto: Helga Wäß |
2015: Diamantene Kunstmesse München
Alles in Allem war die 59. Kunstmesse München wieder eine sehr
sehenswerte Münchner Traditions-Messe.
Plakat am Eingang zum Postpalast, Foto: Helga Wäß |
Mit vielen großartigen Eindrücken verlassen wir den Postpalast. Und wir freuen uns auf die „Diamantene
Kunstmesse“ im Jahr 2015, denn im nächsten Jahr wird diese Institution 60 Jahre
alt.
Fotos: Dr. Helga Wäß, mit freundlicher Genehmigung der Kunstmesse München und ihrer Aussteller.