Gretchen mag's mondän – Damenmode der 1930er Jahre
Der Besucherandrang veranlasst das Stadtmuseum München zur Ausstellungsverlängerung
Stadtmuseum München - Modeausstellung bis zum 19. Juni 2016 verlängert
München. Das Stadtmuseum in München freut sich über so viel Interesse und hat die Ausstellung Gretchen mag's mondän – Damenmode der 1930er Jahre aufgrund der steigenden Besucherzahlen verlängert. Die ursprünglich vom 25. September 2015 – 29. Mai 2016 geplante Ausstellung wird noch bis zum 19. Juni 2016 zu sehen sein.
Durchgang in den Hof des Stadtmuseums München, Foto: Helga Waess |
Gretchen mochte es mondän und sah nach Paris
Wie war die Dame in den Dreißiger-Jahren gekleidet? Hierzu fällt mir eine Geschichte ein, die meine Großmutter immer erzählte. Als sie ihr lachsfarbenes Seidenkleid aus Paris für den Sonntagsspaziergang das erste Mal anzog. Plötzlich war das Knie zu sehen. Mein Großvater soll unterwegs immer wieder am Saum gezogen haben. Beim einsteigen in das Automobil. Beim Rasten auf einer Parkbank. Immer zog er und fragte: "Geht das nicht länger?" Als Kinder haben wir gelacht. Und die beiden auch, denn schließlich hatte er sich in den Dreißigern schnell damit abgefunden. Alles war im Wandel.
Die Kleidung der Geschäftsfrau war schick und international!
Frau zeigte, wer Frau war. Es gab Modemagazine, die die neueste Kreation auch in das letzte Dorf brachten. Es war ein Kleiderschrank zwischen sportlich und lässig, glamourös und ja es wurde sogar mondän.
Das Stadtmuseum München hat mit seiner Kuratorin Dr. Isabella Belting einmal die eigene Sammlung Mode und Textilien durchleuchtet und eine interessante, sehenswerte Ausstellung zusammengetragen, die mit dem "Gretchen-Klischee der NS-Zeit" aufräumt und internationale Modetrends in Deutschland offenbart.
Paris war näher als gedacht! Und die Mode-Theoretiker der Partei in Deutschland konnten ihre Kreationen doch nicht so richtig an die Frau bringen.
Modeschaffen unter den Argusaugen der NSDAP war in den Dreißigern ein Drahtseilakt
Abendroben, Alltagsmode, Negligés, Sportkleidung, Modeschmuck, zahlreiche Accessoires und Handtäschchen lassen in der Ausstellung die Vielfalt der gelebten und getragenen Bekleidungsstile der Dreißiger wieder aufleben. Wer konnte den Modejournalen mit Fotografien, Grafiken, Schnitten oder gar den Kino-Plakaten widerstehen. Der Zeitgeist war auf Moderne eingestellt.
Bekleidungslinie wurde von der internationalen, gehobenen Schneiderei bestimmt. Frau wollte mitschwingen mit den Flügeln der Kraniche des Ibykus der Haute Couture.
Internaltional gegen IDEAL: Uniform-Mädel und biedere Soldaten-Mutter
Das von der Partei geforderte Ideal konnte nicht überzeugen. Nicht die modebewusste Frau der Vorkriegszeit. Mode kannte keine Landes-Grenzen.
Die Frau im Dritten Reich dachte an Schminke, Mode, zog mit dem Liner eine optische Naht am Bein herunter - bestenfalls auf die Fein-Strumpfhose. Hollywood war nah! Heute kennen wir aus der Vintage Mode was damals hochmodern war! Was nicht fehlen durfte war die Zigarette. Und am besten mit Spitze wie Marlene Dietrich
Ja, an der modernen Frau, war die Neue Sachlichkeit nicht einfach vorüber gegangen. Trotz des "Ideals der deutsch-tümelnden Propagandisten" lebte sie - solange es eben möglich war - den internationalen Flair. Und es ist kein Geheimis, das der Diktator "elegante Frauen" um sich scharrte. Allen voran eine Magda Goebbels, als "Repräsentantin des neuen weiblichen Deutschland".
Französische Mode wurde geduldet - auch nach Kriegsbeginn
Weibliche Schwächen wurden geduldet. Für die heimische Modebranche war der Wandel im Modesegment eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Frühling, Sommer, Herbst und Winter sorgten schließlich seit Jahrzehnten für aktuelle Bekleidungsvarianten. Frau sah nach Berlin, Wien und Paris und die Illustrierten brachten alles frisch an die Nähmaschine.
Morgentoilette, nachmittags dann damenhaft und sogar abends, dann aber hoch elegant. So liebte es die Frau der Dreißiger. So vermittelt es die Ausstellung.
Die Kluft von Theorie. Praxis, Einkommen, Vermögen, Möglichkeiten und dazu die Parolen
der Partei. Ja, sogar das Brauchtum wurde reaktiviert. Dennoch sollte alles Weltoffen wirken.Konsumentinnen in schizophrener Lage
Die Ausstellung im Stadtmuseum zeigt das hin und her der weiblichen Gemüter am Beispiel der "1931 gegründeten Deutschen Meisterschule für ModeMünchen". Ein Bruch wird hier aufgeworfen, der viele Besucher mit neuen Erkenntnissen in die Modewelt von heute schickt.
Die Kuratorin hat für die Ausstellung den Gesamtbestand der 1930er-Mode im Archiv des Münchner Stadtmuseums gesichtet. Viele wurde vor der Ausstellung noch "erforscht und restauriert, so dass viele der Textilien nun das erste Mal gezeigt werden können."
Damenkleider illustrieren Zeitgeschichte und Sehgewohnheiten der Vergangenheit
Der Besucher wandert durch eine vergangene Zeit und sieht wie das Alltagsbild Ihrer Mütter, Großmütter und Urgroßmütter aussah. Die Geschichte einer tragischen Umbruchszeit wird in der Tages- und Abend-Mode, in Brautkleidern, der allgegenwärtigen Morgentoiletten, verführerischen Negligés, figurbetonter Sportbekleidung und natürlich in der Rückbesinnung auf die Trachtenmode überdeutlich.
Die sehenswerte Ausstellung zeigt 150 Damenkleider und Kostüme, präsentiert auf teils handgefertigten Büsten. Accessoires und natürlich Pelze, unvergleichliche Schuhe, verspielte Taschen, verrückte Hüte, bunte Schals und Tücher, unverzichtbare Handschuhe und immer wieder Schmuck und allerlei Schmink-Utensilien.
Ergänzend und erläuternd werden grafische Abbildungen, historische Modejournale, und aus der Abteilung des Fotomuseums die Modefotografie und aus der Abteilung des Plakatmuseums allerlei Mode-Plakate gezeigt.
Das Stadtmuseum spannte für die Ausarbeitung moderner Sichtweisen die Studenten der Deutschen Meisterschule für Mode mit ein. Eine Kooperation, die, was die Präsentation zeigt, von Erfolg gekrönt ist.
Der Katalog zur Ausstellung ist beim Hirmer Verlag erschienen (Preis von 39,90 EUR an der Museumskasse und im Online-Shop)
Gretchen mag's mondän –
Damenmode der 1930er Jahre
Kuratiert von Dr. Isabella Belting
Ausstellung des Münchner Stadtmuseums
25. September 2015 – 29. Mai 2016verlängert bis 19. Juni 2016
Stadtmuseum München
Sankt-Jakobs-Platz 1
80331 München